Zum Mani Rimdu Fest ins Kloster Tengboche

So lange ist meine letzte Tour in die Berge ja eigentlich nicht her und dennoch freue ich mich genauso sehr wie beim ersten Mal, wieder ins Solukhumbu-Gebiet zu kommen. Der Grund? Hier findet Mitte November das Mani Rimdu Fest im Kloster Tengboche statt. Darüber habe ich vor fast 10 Jahren eine Dokumentation im TV gesehen und dachte mir „Da willst du irgendwann mal hin!“. Naja, „irgendwann“ ist jetzt, denn das bietet sich ja an, nachdem ich quasi ums Eck wohne. Von Butwal aus die acht Stunden mit dem Bus nach Kathmandu, von da dann mit dem Flieger nach Lukla und dann noch drei Tagestouren zu Fuß. Ein Kinderspiel. Fast, denn dummerweise wird das Wetter Ende Oktober so schlecht, dass der Flughafen in Lukla gesperrt ist. Soll ich wegen ein bisschen Nebel und Regen auf all das verzichten?

Samstag, 05.11. bis Sonntag, 06.11.2011

Meine Schwester, mein Schwager und ich stehen also pünktlich am 05.11. früh morgens in Kathmandu auf dem Flughafen und hoffen, dass wenigstens ein Flieger in die Berge geht und wir dann genau in diesen einen Flugzeug drinsitzen. Doch der Flughafen ist nun den sechsten Tag in Folge gesperrt. So ein Mist!

Als wir noch ein wenig ratlos rumstehen werden wir von jemandem mit Flughafen-Uniform angesprochen und nach unseren Wünschen gefragt. Naja, wir wollen in die Berge, sonst nichts. „Es gibt keine Flugzeuge, aber ein Hubschrauber fliegt gleich los.“. Hubschrauber, wie bonzig ist das denn? Doch bevor wir noch dankend ablehnen, erkundige ich mich vorsichtshalber nach dem Preis. 500 Dollar. Pro Person. Kein Schnäppchen, doch da wir ja das Geld für unsere Flugtickets wieder erstattet bekommen, sind das zusätzliche 300 Euro und durchaus das Erlebnis wert. Meine Schwester und Schwager kommen in die Berge und hocken in ihrem Nepal-Urlaub nicht nur in einem überfüllten Thamel rum (zumal unser Hotelzimmer auch bereits weitervermietet wurde) und ich bekomme mein Fest mit. Also, ke garne! Was soll’s!

 

20 Minuten später haben wir die Boardingpässe für den Heli in Händen, die Flughafensteuer bezahlt und befinden uns auf dem Weg zum Helikopter-Parkplatz. Wir sind alle gespannt auf den Flug; die Sitze sind bequem, die Fenster groß und der Flug sehr angenehm. Ein bisschen mehr Action hätte es meiner Meinung nach schon sein können, doch alles in allem war es so gemütlich und ruhig wie im Fernsehsessel. Ist vielleicht auch besser so... Wir fliegen sehr tief und landen ca. 1 Stunde später in Surké, etwa eine Stunde südlich von Lukla. Dort stehen auf einem abgeernteten Feld hunderte von Menschen, die alle mit Hubschraubern endlich zurück nach Kathmandu geflogen werden wollen. Wir sind froh, hier zu sein und die, endlich weg zu kommen. Der weitere Weg über Phakding (wo wir wieder übernachtet haben) nach Namche Bazar war im Gegensatz dazu ziemlich unspektakulär. Naja, ohne Berge ist es halt einfach nur ein steiler Weg nach oben. Zudem kamen wir uns unterwegs vor wie beim Yak-Kacke-Slalomlauf, denn diese Haufen lagen irgendwie immer da, wo man selbst eben hintreten wollte.

Montag, 07.11.2011

Wir wachen auf mit einer großen Überraschung: wir haben strahlend blauen Himmel und alle Berge vor dem Fenster! Wow, das hätten wir alle nicht erwartet. Und noch dazu haben wir die Berge fast für uns, da ja die meisten Trekker noch in Kathmandu festsitzen. Heute machen wir nur eine kleine Tour, die mich wie letztes Mal auch nach Khumjung führt. Akklimatisationstag. Erstes Tagesziel ist das Everest-View-Hotel, das uns heute traumhafte Blicke auf alle Berge liefert. Keine Wolke am Himmel, noch nicht mal ein Kondensstreifen. Unterwegs stellen wir fest, dass der Nebel und Rauhreif der letzten Woche in Zusammenarbeit mit dem Wind und der Kälte ganz einmalige Gebilde auf Bäume und Büsche gezaubert hat. Wie Sahnetupfer sehen diese Schneeanhäufungen aus und auch die Eiszapfen zeigen ganz bizarre Formen.

In Khumjung besichtigen wir das Kloster, in dem ein Yetiskalp liegen soll. Als wir nach diesem fragen, wird ein großer, grüner Stahltresor im Eingangsbereich des Klosters geöffnet, in dem der Haarschopf verwahrt ist. Ein echter Yetiskalp? Klar doch!

Nach mehreren Untersuchungen in Kanada und Frankreich wurde festgestellt, dass dieser Yetiskalp aus dem Fell einer Bergziege besteht. Der damalige Tourismusminister von Nepal meinte daraufhin sinngemäß: "Wir haben in Nepal keine Giraffen und Känguruhs, deswegen glauben wir nicht an sie. Sie haben in Ihrem Land keine Yetis und glauben deshalb auch nicht an sie. Ich akzeptiere Ihre Ignoranz." Coole Reaktion! Wir besichtigen also einen echten Yeti-Ziegenhaar-Skalp ;o)

 

Abgeschlossen wird der Tag mit einem Apfelkuchen in der Namche Bakery (er war immer noch so lecker wie ich ihn in Erinnerung hatte. Und gaaanz frisch gebacken!). Zum Abendessen habe ich mir in unserer Lodge ein „Rum-Steak“ bestellt. Ich dachte zuerst, dass dies wieder einer der lustigen Schreibweisen hier in Nepal sei und es sich eigentlich um ein „Rump-Steak“ handelt, doch weit gefehlt: als mein Teller gebracht wird, kann ich schon von Weitem riechen, dass mit „Rum“ wirklich Rum gemeint ist, der wohl Hauptbestandteil der Sauce ist. Ungewöhnlich, aber sehr lecker.

Dienstag, 08.11.2011

Am kommenden Tag strahlt die Sonne wieder mit uns um die Wette und wir machen uns auf in Richtung Mong La. Da ich noch einen Tag Puffer habe bevor ich dann in Tengboche sein will, gehe ich diesen Tag noch mit meiner Schwester und meinem Schwager, die von hier aus die Gokyo-Tour machen wollen, die ich ja bereits im Oktober gelaufen bin. Doch heute können wir noch gemeinsam gehen. Den gesamten Tag werden wir von Ama Dablam, Thamserku und Kantega begleitet und bereits am Mittag sind wir am Pass. Am Nachmittag laufen wir hinter der Lodge noch ein bissle den Berg hoch, um hier auf knapp 4.000 Metern keine Probleme mit der Höhe zu bekommen. Und irgendwas müssen wir am Nachmittag ja auch machen, man kann ja nicht stundenlang nur da sitzen, heißen Ingwertee trinken und die Berge angucken.

Mittwoch, 09.11.2011

Auch am nächsten Tag gehe ich zunächst auf bekannten Pfaden, denn ich passiere bei Phortse Dunga den Fluß und komme nach Phortse. Hier betrete ich Neuland, als ich hinter dem Ort nach Osten abbiege und in Richtung Pangboche gehe. Eine schöne Strecke mit vielen kleinen Chörten, Gebetsfahnen, von Adlern begleitet und wieder ständig die Berge neben mir. Der höchste Punkt heute ist ein kleiner Pass auf 4.100 Metern Höhe. In Pangboche gibt es einen leckeren Sherpa-Stew und einen kleinen Spaziergang zu den vielen Chörten auf dem Hügel hinter dem Ort. Diese Chörten wurden für all die Trekker und Sherpa errichtet, die hier in den Bergen umgekommen sind. Es sind erschreckend viele dieser Steingebilde, die in verschiedenen Verwitterungsstadien den Weg säumen.

Von hier auch nach Deboche ist es nur eine gute Stunde und ich bin noch vor Sonnenuntergang in meiner Lodge.

Donnerstag, 10.11.2011

Heute ist der erste Tag des Mani Rimdu Fests. Es soll früh morgens losgehen und so begebe ich mich um 7 Uhr auf den kurzen Weg nach Tengboche. Dort sieht es jedoch so überhaupt nicht nach Festlichkeiten aus und ich erfahre, dass es „am Nachmittag, so gegen 9 oder 10 Uhr“ losgehen soll. Wie jetzt? Nachmittag oder 9 Uhr? Also gönne ich mir noch einen Apfelkuchen in der örtlichen Bäckerei und unterhalte mich mit anderen Trekkern, die ebenfalls auf das Fest warten. Um 10 Uhr ist es im Kloster immer noch ruhig und ich werde von einem jungen Mönch informiert, dass es auch erst gegen 12 Uhr losgehen könnte. Sollte er das nicht genau wissen? Immerhin macht er doch mit. Als sich um halb eins immer noch nichts rührt, esse ich in Ruhe zu Mittag, spaziere dann wieder in der Umgebung herum und unterhalte mich mit anderen Mönchen. Um 14 Uhr werden die Klostertüren dann endlich geöffnet und die Mönche beginnen mit den Tänzen. Heute allerdings noch ohne Masken und Kostüme. Es sind wenig Besucher da, die meisten allerdings Touris wie ich. Nur wenige Sherpa kommen bereits heute, da der Haupttag ja erst in zwei Tagen ist. Wir sitzen alle im Klosterinnenhof, den Blick in Richtung Berge, die Sonne im Gesicht und mit tanzenden, rot gewandeten Mönchen vor uns. Trotz langer Wartezeit hat sich das alles heute gelohnt.  

Freitag, 11.11.2011

Am zweiten Tag des Festes wird die Öffentlichkeit gesegnet und das gesamte Programm soll nur eine Stunde gehen. Auch wenn mir dann der Segen entgeht, beschließe ich deshalb, das tolle Wetter zu nutzen und heute wieder einen Abstecher in die Berge zu machen.

Leider gibt es von hier aus wenig Auswahl an Tagestouren, doch eine Gute finde ich und so bringt mich der heutige Tag zum Ama Dablam Basecamp. Wieder zurück nach Pangboche und dann weiter runter zum Imja Fluß und über zwei kleinere Brücken. Ich hoffe ja immer, dass es Hängebrücken sind, die ich in der Karte eingezeichnet sehe. Aber statt 200 Meter über dem Fluß über eine Hängebrücke zu laufen muss ich dieses Mal wieder ganz runter ans Wasser, über eine kleine, wackelige und eine Betonbrücke mit Gebetsfahnen laufen, um dann auf der anderen Flußseite das Ganze wieder hochzulaufen.

Bereits um 11 Uhr bin ich am Basecamp und habe bis zu meinem Umkehrzeitpunkt noch etwas Zeit. So laufe ich einfach noch eine Weile am Grat entlang in Richtung des zweiten Basislagerns und habe eine gute Sicht auf 360° Bergpanorama.

Samstag, 12.11.2011

Am heutigen Tag ist das Hauptprogramm des Mani Rimdu Fests und ich finde mich wieder früh in Tengboche ein. Als ich ankomme wird gerade noch Hand an den Tisch mit Figuren aus gefärbter Butter gelegt und noch die restlichen Gegenstände aufgestellt und gebracht: Räucherstäbchen, Weihrauchbehälter, Reis, Früchte und Blütensamen etc.

Morgens herrscht noch recht gutes Wetter, doch im Lauf des Tages zieht ein dichter Nebel auf. Dadurch ist es auch sehr kalt, insbesondere, da wir ja den ganzen Tag im Innenhof des Klosters sitzen und den Mönchen zusehen. Gott sei Dank wird in regelmäßigen Abständen heißer Milchtee, Kekse und andere Erfrischungen und Snacks gereicht, so dass wir komplett versorgt sind.

 

Die Tänze sind wie erwartet toll, spektakulär und ich bin froh, hier zu sein.

Doch tanzende Menschen in Holzmasken und als Hexen und Dämonen verkleidet, dazu eine Musik aus Blechblasinstrumenten, die nicht immer ganz harmonisch klingt erinnert mich stark an die Fasnet im oberschwäbischen Raum: Guggenmusik und die Hexen, die auf den Umzügen tanzen, sind dem Treiben hier nicht unähnlich. Und auch der Sinn und Zweck des Fests ist fast gleich: man möchte böse Geister und Dämonen so sehr erschrecken, dass sie sich in Zukunft nicht mehr blicken lassen. Als ich abends wieder nach Deboche in die Lodge zurück komme, freue ich mich über heißen Zitronentee mit Honig und einen Platz nahe am Ofen, denn nach einem ganzen Tag in der nebligen Kälte ist mir doch etwas kalt.

Sonntag, 13.11. bis Dienstag 15.11.2011

In den kommenden zwei Tagen bessert sich das Wetter leider nicht mehr und wir laufen wieder zurück über Namche Bazar nach Lukla. Nur selten kommt unterwegs die Sonne oder der blaue Himmel durch. Dort bekommen wir auch die Bestätigung, dass der Flughafen wieder nicht angeflogen wird. So ein Mist aber auch!

Doch nach einigen Telefonaten und Gott sei Dank guten Beziehungen zum und vom Hoteleigentümer können wir uns für den kommenden Tag einen Platz in einem Hubschrauber sichern.

Also laufen wir wieder runter nach Surké und bald sitze ich zusammengequetscht mit fünf Menschen und ebenso vielen Rucksäcken in einem Helikopter. Dummerweise haben es meine Schwester und mein Schwager nicht in den selben Helikopter geschafft und bleiben zunächst in Surké zurück. Doch da ich sowohl die Telefonnummer des Hubschrauberlandeplatzmanagers als auch unseres Travelagents aus Kathmandu im Handy habe, kommen die beiden ca. eine Stunde später ebenfalls nach. Allerdings werden wir nicht zurück nach Kathmandu geflogen, sondern nach Lamidanda. Dieser Flughafen ist nur 15 Minuten von Surké entfernt und liegt deutlich niedriger als Lukla.

Die drei Hubschrauber im Einsatz fliegen ununterbrochen zwischen Surké und Lamidanda hin und her, um möglichst viele Touristengruppen auszufliegen. Naja, und wir sind dafür mitten im Nichts gestrandet. Denn der Flughafen besteht aus einer unebenen Lehmpiste, die selbst als Fußballfeld schon bessere Tage gesehen hätte und einem Tower, der aber nicht besetzt ist. Dafür wuseln ein paar wichtig aussehende Leute mit einem oder mehreren Handys am Ohr durch die Gegend und organisieren den Weiterflug. Nur, da ist nix zum Weiterfliegen. Nach mehreren Stunden wird eine tragbare Waage mitten in die Wiese gestellt und das Gepäck einer Gruppe gewogen. Nach einer weiteren Stunde werden auch wir in eine separate Ecke abgestellt und wir hoffen schon, dass wir die nächsten sind, die fliegen dürfen. Ist aber nicht so. Ich versuche, mich immer wieder in Erinnerung der Organisierer zu rufen, ohne sie so zu nerven, dass sie uns noch weiter weg abstellen und tatsächlich sind wir die ersten, die in das dritte Flugzeug steigen dürfen, das dann auch schnell mit Passagieren besetzt ist und wieder abhebt. Unterdessen bringen die Hubschrauber immer weitere Leute aus den Bergen.

Wir drehen über Kathmandu noch ein paar Runden und landen dann endlich wieder in der Hauptstadt und werden von ein paar Affen begrüßt, die dort herumturnen.

 

Die kommenden Tage gehen wir noch etwas shoppen und schauen uns Bhaktapur an, bevor ich meine Schwester und meinen Schwager dann wieder an den Flughafen bringe und sie zurück nach Deutschland fliegen. Ich bleibe noch ein paar Tage in Kathmandu bevor auch ich in den Alltag zurückkehre und wieder nach Butwal fahre.