14.02.2010 Shivaratri - Happy Birthday, Shiva!

Ganz anders als Lohsar verläuft Shivaratri, der Geburtstag des Gottes Shiva, der eine Woche später gefeiert wird. Mit meiner nepalischen Freundin Manaslu fahre ich nach Pashupatinath, einem der heiligsten Orte für Hindus überhaupt, an dem jeden Abend eine puja, ein Abendgebet mit spezieller Zeremonie abgehalten wird, während auf der anderen Seite des Bagmati-Flusses Verbrennungen stattfinden. An diesem Ort ist eigentlich immer etwas los, doch heute tummeln sich besonders viele Leute um die ghats, die Verbrennungsstätten, und drängen durch das bunt leuchtende Tor, das am Eingang aufgestellt wurde und das einen direkt zur Devotionalienmeile führt: das rote Kumkum-Pulver, Perlenketten mit Gebetskugeln, Kerzen und Blumen als Opfergaben, golden eingerahmte Götterbilder, kitschige Anhänger mit Shivafiguren, Statuen in Gold und mit Glitter und Plastikblumen beklebt und und und.

Endlich vor dem Tempel angekommen, lässt Manaslu mich mit ihrem Handy, dem Ledergürtel und den Schuhen zurück, die wie ich als Nicht-Hindu nicht in den Tempelbezirk hinein dürfen und ich beobachte die Pilger, die sich auf dem Platz versammeln. Was für ein Unterschied zu letzter Woche in Bodnath! Die Pilger hier sind hauptsächlich aus Indien und Nepal und teilweise mehrere hundert Kilometer zu Fuß nach Pashupati gelaufen. Die Frauen tragen prächtige Saris, bunt und mit glitzernden Borten, die Kinder haben ebenfalls sehr farbenfrohe Kleider, die Männer laufen dazu im Gegensatz häufig in Jeans, T-Shirt und Turnschuhen herum. Dazu kommen noch die Sadhus, die heiligen Männer, die mit weiß gekalkten Körpern und in ihren gelben Kleidungsfetzen mit dem Dreizack des Shiva und der Bettelbüchse bewehrt auf den Tempeleingang zusteuern oder nach dem Rundgang wieder herauskommen. Nachdem ich mein gesamtes Kleingeld an die Bettelmönche losgeworden bin, werde ich vom nächsten Sadhu, der eben nichts mehr abbekommen hat, ob meines Geizes samt meiner gesamten Nachkommenschaft verflucht. Ich kann nur mit den Schultern zucken und er zieht von dannen, mit seiner Büchse klimpernd und auf andere Pilger und Touristen zusteuernd.

Nach einer Stunde kommt Manaslu zurück und wir gehen weiter und treffen auf dem Weg zu den ghats auf tausende Menschen, die hier den Geburtstag des Gottes feiern möchten. Es herrscht ein unglaubliches Gedrängel auf den Stufen: Sadhus, Pilger, ein paar Touristen und viele Nepali, die einfach die Jahrmarktstimmung genießen. Mir wird das nach einer Weile fast zu viel und wir verlassen die ghats in Richtung Ausgang. Auf der großen Wiese, die gewöhnlich der Versammlung zum Gebet oder zu ausgelassenen Tänzen dient, ergattern wir einen Plastikbecher voll süßem Milchtee. Dass die Nepali bei den hohen Preisen für Zucker mit diesem Lebensmittel nicht etwas sparsamer umgehen! Doch kaum habe ich das süße Getränk mit etwas Wasser heruntergespült, als Manaslu nun Hunger verspürt, und wir stehen plötzlich in der Schlange, die zum daal bhaat ansteht und ich sitze mit 50 (meist armen und pilgernden) Nepali in einer Reihe und warte auf meine Schaufel Reis und den Becher Linsenbrühe, die aus einem 20-Liter-Eimer mit einer Plastikkelle auf die aus großen Blättern hergestellten Teller vor uns geschüttet wird. Innerhalb von wenigen Sekunden sind die Teller meiner Nachbarn leer und die Kinder starren mit großen Augen auf meinen immer noch komplett vollen Teller mit Linsen und Reis. Ich verteile meine Essensration unter den Jungen und werde dafür von dreckigen, klebrigen und mit Linsen verschmierten Kinderhänden angefasst, insbesondere meine hellen Haare haben ihre volle Aufmerksamkeit. Nach ein paar Fotos mit den Kindern verlassen wir diesen sehr interessanten, aber doch auch wirklich anstrengenden Ort und wir gehen weiter zum Fluss, wo wir einigen (meist jungen) Sadhus begegnen, die die Möglichkeit von Shivaratri nutzen, legal kiffen zu können und sich deshalb den wirklichen Bettelmönchen angeschlossen haben. Nachdem wir von allen Seiten bedrängt und begafft werden, beschließen wir, dass wir Shivas Geburtstag ausgiebig genug gefeiert haben und suchen uns ein Taxi, das uns zurück nach Hause bringt. Leider stelle ich fest, dass der Taxifahrer wohl auch bereits gefeiert hat und die gesamte Breite der Straße braucht, die Gott sei Dank so gut wie unbefahren ist. Doch auch diese Taxifahrt überstehen wir unbeschadet und um einige Erfahrungen reicher.