21. - 30.12.2010 Annapurna-Trek über Weihnachten

21.12.2010

Kurz vor meiner Abfahrt in den Weihnachtsurlaub organisieren die Maoisten wieder einen Streik, der das Verkehrswesen lahm legt. Laut Sicherheitshinweisen dürfen lediglich Krankenwagen, Hochzeitsautos, Autos mit blauen Diplomaten- oder NGO-Kennzeichen und Zuckerrohrtransporte fahren. Seltsame Auswahl... Da ich ja nicht mit dem eigenen Auto (das ein blaues Nummernschild hat) fahren darf, bin ich auf den öffentlichen Bus und ein rechtzeitiges Beenden des Streiks angewiesen. Und tatsächlich sitze ich am 21.12. frühmorgens planmäßig im Bus nach Pokhara. Kaum aus Butwal heraus haben wir jedoch bereits die erste Panne und da unser Bus qualmt und stinkt, steigen alle erst einmal aus. Nach einer halben Stunde ist alles soweit repariert, dass wir weiter fahren können. Nach einer weiteren halben Stunde steigt ein Fischverkäufer mit zwei vollen Körben ein, deren Gestank den des immer noch röhrenden und qualmenden Motors überdeckt und uns alle Fenster aufreißen lässt. Sein 30 cm langes, gebogenes Messer wird in der Ablage mir schräg gegenüber deponiert und bei jedem Loch, durch das wir holpern, befürchte ich, dass das Messer aus der Ablage auf mich herunter fällt. Doch trotz aller Widrigkeiten komme ich abends durchgeschüttelt, aber gesund in meinem Hotel in Pokhara an. Dort packe ich erst einmal alle Päckchen von Familie und Freunden aus, die mir Udo aus meinem  Postfach in Kathmandu mitgebracht hat. Der Stollen sowie Toffifee kommen gleich in den Trekkingrucksack, der Rest wird im Hotel deponiert, bis ich wieder zurück komme.

 

22.12.2010

In Pokhara ist es noch etwas kälter als in Butwal und am kommenden Morgen kämpfe ich mich nur ungern aus dem warmen Bett. Während wir unser Omelette und den heißen Tee zu uns nehmen, kommt unser Träger an, für den wir uns am Abend vorher noch spontan entschieden haben. Für die zehn Tage zahlt jeder von uns dreien knapp 40 Euro und noch einmal fünf Euro für das Taxi, das uns nach Nayapul bringt, wo unsere Wanderung beginnt. Bereits auf der Fahrt haben wir einen traumhaften Blick auf die Berge und da wir mit Fahrer und Träger fünf Leute und ein Hund samt Gepäck in dem kleinen Taxi sind, wird uns auch bald wärmer. Wir liegen nun bereits ca. 200 Meter höher als Pokhara und nachdem wir alle unsere Rucksäcke aufgeschnallt, die Stöcke in die richtige Länge gebracht und auch Handschuhe und Mützen ausgepackt haben, geht es los. Über eine schmale Hängebrücke und durch ein kleines Dorf, das komplett aus losziehende und ankommende Touristen ausgerichtet ist, geht es los zum ersten Check-Point, an dem wir unsere Trekking-Permits abstempeln lassen müssen. Wie lose Perlen auf einer Kette kommen wir nun durch kleine Dörfer und an einzelnen Bauernhöfen vorbei und der Weg wird immer steiler.

 

Über hunderte Steinstufen erreichen wir am Spätnachmittag Ulleri und haben heute stolze 890 Höhenmeter hinter uns gebracht. Doch in dem Guesthouse, das wir uns aussuchen, haben wir heißes Wasser für eine Dusche und zu unserer Überraschung gibt es Apfelkuchen, den wir uns als Nachtisch gönnen, als wir abends mit den wenigen anderen Trekkern, die sich um diese Jahreszeit in die Berge begeben haben, um ein gemütliches Holzfeuer versammeln. Da die übrigen Versammelten aus Australien, dem Libanon, USA, den Niederlanden und Frankreich kommen und manche auch beruflich den gleichen Hintergrund haben wie wir, fehlt es uns auch nicht an Gesprächsstoff. Als um 21 Uhr das Feuer ausgeht, wird es wieder ziemlich kalt und wir gehen lieber zu Bett und kuscheln uns in unsere Daunenschlafsäcke.

23.12.2010

Der Morgen überrascht uns mit Bergen, wo gestern nur Nebel und Wolken zu sehen waren und den Hiunchuli im Blick verlassen wir nach einem guten Frühstück als erste Ulleri.

Da es heute noch weiter hinauf geht, kommen gegen Mittag auch der Annapurna, Daulaghiri und Nilghiri in Sicht. Unterwegs treffen wir auf Maultierkarawanen, die Waren, Brennholz und Baumaterialien den Berg hoch schleppen. Auf den schmalen und steilen Wegen ist das Passieren einer solchen Karawane nicht immer einfach, doch bieten die mit bunten Decken und Glöckchen verzierten Maultiere ein schönes Bild.

Schnell auf die Bergseite des Weges begeben wir uns auch, als uns eine große Ziegenherde entgegen kommt, die ins Tal getrieben wird. Die Tiere nutzen jeden Zentimeter der Straße und springen über die Felsen und Steine und nahe am Abhang vorbei. Auch wenn es ziemlich ungeordnet aussieht, so achten doch alle Ziegen auf das Leittier der Herde und bleiben stehen oder gehen weiter wie es die rot markierte Ziege mit den schön gerollten Hörnern auch tut.

 

Ab Gorepani geht es dann wieder langsam bergab und ich stelle mir vor, wie die Gegend im März aussehen mag, wenn all die Rhododendron- und Magnolienbäume blühen, die momentan nur vertrocknete Blätter tragen. Auch heute zieht es zu und als wir in Chitre ankommen, sind alle Berge und die höheren Hügel bereits wieder in Wolken gehüllt.

24.12.2010

Umso größer ist unsere Freude, als am Weihnachtsmorgen das gesamte Bergpanorama vor unserem Fenster erscheint und die Sonne sich von Bergspitze zu Bergspitze emporhebt und langsam die einzelnen Hänge der teilweise mit Schnee bedeckten Berge anstrahlt.

 

Zum Frühstück essen wir den Stollen, den ich ja eingepackt hatte und so gestärkt geht es auf die heutige Etappe, die jedoch wenig anstrengend, dafür szenisch jedoch umso schöner ist. Bereits am frühen Nachmittag kommen wir in Tatopani an und freuen uns schon auf die heißen Quellen, die dem Ort ihren Namen gegeben haben (Tatopani bedeutet „heißes Wasser“). Doch die Quellen entpuppen sich als ein quadratisches kleines, betoniertes Loch, das wenig ansprechend ist. Ebenso wie die Bauarbeiter, die nebenan an einer Grube für ein weiteres Becken arbeiten und bei unserem Eintreten alle gemeinsam die Werkzeuge niederlegen. Da wir uns die gesamte Anlage anders vorgestellt hatten und auch nicht unbedingt Zuschauer beim Baden brauchen, gehen Iris und ich wieder zurück ins Hotel, wo wir uns stattdessen eine Dusche gönnen, die jedoch entgegen dem Ortsnamen nicht sehr heiß ist. Dafür gibt es im Restaurant gegenüber leckeren gegrillten Fisch aus dem Kali Gandaki Fluss, den wir nun auch schon seit einer Weile begleiten und dazu einen tollen Blick auf den Nilghiri. An Heilig Abend sitzen wir drei dann noch gemeinsam vor unserer Hütte, trinken Apfelbrandy und trällern alle Weihnachtslieder, die uns einfallen. Und trotz der Andersartigkeit vermisse ich weder den Weihnachtsbaum noch das leckere Essen daheim übermäßig und die Sicht entschädigt für Vieles.

25.12.2010

Doch am kommenden Tag verändert sich die Landschaft, durch die wir kommen, erst traumhaft und schön, dann immer steiniger und karger. In Kalopani machen wir eine kleine Tee- und Fotopause.

Unterwegs treffen wir auch hier immer wieder auf Ziegenherden oder kleinere Karawanen und immer seltener auch auf andere Menschen. Scheint eine wenig bewohnte oder bereiste Gegend zu sein...

Nachdem wir auch heute fast 1.000 Höhenmeter geschafft haben, übernachten wir in Ghasa.

 

Kaum dass die Sonne um 15.30 Uhr hinter den Bergen verschwunden ist, wird es kalt und wir sitzen mit Daunenjacke, Handschuhen und Schal eingepackt im Speisezimmer des Hotels, spielen Karten und versuchen und mit heißem Ingwer-Zitronentee mit Honig warm zu halten. Nach einer Weile wird uns ein verbeulter Eimer mit heißen Kohlen gebracht, der in das Loch unter dem Tisch gestellt wird und so die Füße aller um den Tisch Sitzenden wärmt. Diese Konstruktion mit dem Loch im Boden unter den Tischen wird uns in den kommenden Tagen noch häufiger begegnen und wir sind dankbar für diese Erfindung.

26.12.2010

Der Weg am zweiten Weihnachtsfeiertag ist relativ eben und da wir wieder den gesamten Tag von Bergen begleitet werden, macht das Laufen heute wirklich Spaß. Als wir durch das nun größtenteils trockene Flussbett des Kali Gandaki laufen, halte ich nach Saligram, den schwarzen, kugelrunden Steinen Ausschau, in denen sich Versteinerungen von Muscheln und anderen Tieren befinden, doch außer ein paar schönen Kieseln ist meine Ausbeute eher mickrig. Vermutlich ist das Sammeln dieser Steine für die Bevölkerung nach jeder Regenzeit eine gute Möglichkeit, den Lebensunterhalt zu bestreiten, da diese Steine aufgeschlagen und in Pokhara und Kathmandu an die Touristen verkauft werden.

 

Als rechterhand das Massiv des Tukuche auftaucht, machen wir in dem kleinen Ort Kobang dann Mittagspause und bestellen eine Thukpa, die typische tibetische Nudelsuppe, die uns wärmt und sehr lecker ist. Während die Suppe frisch zubereitet wird, sitzen wir draußen in der Sonne und beobachten Lastenträger, Bauarbeiter und Hirten, die in dieser kalten Gegend leben und arbeiten müssen. Eine Frau mit dem uns schon bekannten großen Weidenkorb auf dem Rücken, der durch Stirnriemen festgehalten wird, kommt uns entgegen, den Korb bis oben hin voll mit Feuerholz. Ein kleiner, etwa achtjähriger Junge begleitet sie, ebenfalls mit Korb, der jedoch nur wenige kleine Holzstücke enthält. Dennoch muss auch er bereits helfen und seinen Anteil der Lasten tragen.

Tukuche ist ein kleiner, typischer Bergort und unser Ziel für den heutigen Tag. Nach einer heißen Dusche schlendere ich ein wenig durch den Ort und fotografiere die kleinen Tempelchen sowie die in langen Steinreihen platzierten Gebetsmühlen. Entlang des Wegs begegnen mir immer wieder die Mani-Steine, Steinplatten, in die auf Tibetisch Gebete und Mantras eingeschnitzt sind.

 

Auf dem Heimweg begegnet mir Udo, der sich auch auf ins Dorf machen will und gemeinsam machen wir noch eine Runde durch den Ort. Ein Hinweisschild vor einem kleinen Lokal macht uns neugierig, denn hier wird neben dem uns bereits bekannten Apfelbranntwein auch welcher aus Aprikose, Orangen oder Möhren angeboten. Im kleinen Essraum werden wir fröhlich und warm begrüßt und zum Sitzen aufgefordert. Nachdem wir einen Aprikosenschnaps bestellt haben, kommt die ältere Eigentümerin kurz darauf mit einem Tablett und zwei Tassen wieder. Zwei schöne Porzellantassen mit Rosenmuster und Goldrand wie im Schrank von meiner Oma. Und beide bis oben hin mit einer klaren Flüssigkeit gefüllt. Da ich annehme, dass der Brandy wie der übrige selbst gebrannte raksi auch, wenig Alkohol hat und deshalb in solch für uns ungewöhnlich großen Mengen serviert wird, nehme ich einen guten Schluck und werde schnell eines besseren belehrt, denn dieser Brandy hat knapp 50 % Alkohol und einen sehr angenehmen und guten Geschmack. Dennoch kann ich die Tasse nicht komplett leeren.

Mit warmem Bauch und leichten Gedanken kehren wir in unser Hotel zurück, wo im Aufenthaltsraum bereits ein munteres Feuer flackert, um das wir uns nun versammeln.

27.12.2010

Wir haben nun schon fast eine Woche Wandern hinter uns und langsam beginnen die Füße zu drücken, doch wenn man erst einmal in den Wanderschuhen drin und losgelaufen ist, machen auch die Füße wieder mit. Morgens ist es nun noch kälter als an den Tagen bisher und ich ziehe das erste Mal die dicke Skiunterwäsche und ein Stirnband gegen die Kälte an.

 

Mich erinnert die Gegend ein wenig an den Wilden Westen und es würde mich nicht überraschen, wenn Winnetou oder Old Shatterhand um die nächste Biegung geritten kommen. Als ich diese Meinung Udo gegenüber äußere, meint er, dass es ihm ebenso geht und ich stelle fest, dass ich endlich jemanden gefunden habe, der die Karl May Romane ebenso verschlungen hat wie ich. Die kommende Stunde vergeht damit, Namen, Begebenheiten und Titel der verschiedenen Romane aufzuzählen und über die verschiedenen Charaktere zu diskutieren. Ohne dass wir merken, wie schnell die Zeit vergeht, passieren wir Jomsom und laufen weiter durch steinige Wüste mit Bergen auf jeder Seite des Tals nach Kagbeni.

Da dieser Weg sehr uneben ist und die Steine das Laufen alles andere als erleichtern, kommen uns dafür die folgenden zweieinhalb Stunden wie doppelt so lange vor. In Kagbeni angekommen, bläst der Wind mittlerweile so heftig, dass und kalt ist und wir nur noch ins Warme wollen. Eine nette Tibeterin kocht uns eine heiße Thukpa mit Yakfleisch und wieder wärmt ein Kohleofen unsere Füße.

28.12.2010

Am kommenden Tag liegen 1.000 Höhenmeter vor uns und dem Endpunkt unserer Reise: Muktinath. Dieser Ort befindet sich auf 3.800 Metern Höhe und bietet traumhafte Blicke auf Annapurna, Daulaghiri und Nilghiri, den Startpunkt für alle, die den Thorong-La-Pass überqueren wollen und ein Heiligtum, das für Buddhisten wie Hindus gleichermaßen Pilgerort ist. Unterwegs geht es an dem kleinen Ort Jarkot vorbei, der wie aus dem Nichts mitten in der Felswüste auftaucht.

 

Teilweise müssen wir nun auch über einige und selten auch schneebedeckte Flächen laufen und an zugefrorenen Bächen vorbei. In den kleinen Höfen der Häuser fällt uns hier immer wieder die große, silberne Solarschüssel auf, die zum Kochen oder Wasser erhitzen verwendet wird und in einem deutsch-österreichischen Projekt an alle Haushalte dieser Gemeinden verteilt wurde.

 

Auf dem Weg zum Haupttempel kommen wir immer wieder an kleinen, mit den bunten Gebetsfahnen der Buddhisten geschmückten Schreinen vorbei, die einen bezaubernden Vordergrund für die schneebedeckten Bergketten bilden.

Vor dem Tempel befindet sich ein Wasserbecken für rituelle Reinigungen und trotz der Kälte und der Eiszapfen, die von den 108 kuhförmigen Wasserspeiern und allen Ästen hängen, lassen es sich manche Pilger nicht nehmen und baden nur in Shorts bekleidet im Becken und laufen durch das eiskalte Wasser der Wasserspeier.

 

Ein Sadhu quatscht uns an und erklärt, dass er seit 22 Jahren Bettelmönch ist und seit diesem Zeitpunkt auch seine Haare nicht mehr geschnitten hat. Und tatsächlich reichen die Haare fast bis auf den Boden und sehen auch so aus, als ob er sie seit diesem Zeitpunkt nicht mehr gewaschen hat, was vermutlich auch stimmt.

Da wir leider den letzten Jeep in Richtung Jomsom verpassen, müssen wir den Abstieg nun zu Fuß bewerkstelligen und schaffen es, im Dunkeln wieder in Kagbeni anzukommen. Also noch einen Abend in diesem zugigen und kalten Ort, aber was soll’s.

29.12.2010

Zurück nach Jomsom müssen wir wieder durch die Wüste, aber vorher biegen wir noch über eine lange Hängebrücke ab und landen in einem kleinen Dorf mit Namen Pakling. Dieses ist touristisch total unbekannt, die Leute sind freundlich, auch als wir über ihre Felder in den Ort kommen, da wir unterwegs mal falsch abgebogen sind. Und wir haben einen tollen Blick auf die Berge. Kurz danach kommt uns eine weitere Karawane entgegen, die aus Mulis, Ponys und einer Yak-Kuh-Kreuzung besteht und Brennholz transportiert.

30.12.2010

Den Abschluss unserer Tour zelebrieren wir am kommenden Abend mit Yak-Steak und einem leckeren Bier in Jomsom, da ich am kommenden Tag früh morgens mit dem Flugzeug zurück nach Pokhara fliege.

Wegen Nebel kann die kleine Dornier 224-Maschine jedoch erst mit zwei Stunden Verspätung in Pokhara starten und bis sie endlich in Jomsom ankommt und ausgeladen ist, stehen wir bereits seit Stunden in den kleinen Terminal. Im Zeitraffer erlebe ich dann unsere Trekking-Tour noch einmal und fliege über all die Wege, die wir bereits gelaufen sind. Durch die geringe Flughöhe erkenne ich jede Brücke, jedes Dorf und jeden kleinen Tempel entlang des Weges.

 

Wieder zurück in Pokhara gönne ich mir erst eine heiße Dusche, dann eine Massage und anschließend einen Spaziergang über das Straßenfest, das derzeit stattfindet. Zum Einen eine Art Jahrmarkt mit Rummel, Riesenrad und viel Zuckerwatte für die nepalischen Gäste, aber auch entlang der Lakeside viele Essensstände mit leckerem Essen und Sonderangebote der Läden für uns andere Touris. Nach Wildschwein-Sekuwa und ein paar neuen Schals mache ich mich abends auf zu meinem Kollegen Wolfgang, bei dem meine anderen Kollegen, die in der Nähe wohnen und ich Silvester feiern werden.