23.04.2012 Visum für Indien - ein Drama in vielen Akten

06.04.2012 - Akt 1. Oder eigentlich nur ein kleines Vorspiel. Denn als ich an diesem Freitag früh morgens gegen 8.30 Uhr an der indischen Botschaft in Kathmandu stehe, ist diese geschlossen. Wegen Karfreitag. Die Botschaft eines hinduistisch-muslimischen Landes in einem hinduistisch-buddhistischem Land hat an einem christlichen Feiertag geschlossen. Wenn das mal keine gute Verständigung unter den Religionen ist. Für mich ist das jedoch sehr unpraktisch, wäre aber vermeidbar gewesen, wenn ich im Internt die Feiertagsliste gelesen hätte. Also nur ein kurzer Vorgeschmack auf das, was noch kommt.

 

09.04.2012 – Akt 1:

Da die Botschaft in Lazimpat um 9.30 Uhr öffnet, ich aber in Sanepa, am gegengesetzten Ende Kathmandu wohne, nehme ich mir wieder ein Taxi, um möglichst früh an der Botschaft zu sein. Um 8.45 Uhr bin ich dort. Mit einer riesigen Menschenmenge, die noch früher ankam, denn ich bekomme die Nummer 101 in die Hand gedrückt. Alle warten und der kleine, überdachte Warteplatz ist bald gerammelt voll. Merke: nie nach vier Schließtagen ein Visum beantragen, denn das wollen dann ALLE.

Um 9.00 Uhr wird bereits die Nummer 1 aufgerufen und bis um 10 Uhr haben wir uns zur Nummer 11 vorgearbeitet. Wenn das Tempo so bleibt, muss ich 10 Stunden hier warten?!?? In der Zwischenzeit habe ich die kleine Telex-Form ausgefüllt, mit der meine Pass- und Reisedaten nach Deutschland gefaxt werden, um abzuklären, ob ich existiere, kein Terrorist bin etc. Als ich einige Mitwartende mit einem großen Antragsformular sehe, das Formular jedoch nirgends finden kann, wende ich mich an meinen Nebenmann. Das Formular bekomme ich erst, wenn ich das Telex ausgefüllt und abgegeben habe, das ist dann für den zweiten Besuch.

Da er bereits mit seinen Freunden zusammen am Schalter war, tauscht er seine Nummer mit mir und ich bin plötzlich auf Nummer 38 vorgerutscht.

Um 11.30 Uhr werde ich aufgerufen und lege Reisepass und Telex vor. Wo denn mein Visum für Nepal ist, fragt der Mann am Schalter. Im Dienstpass, den ich ihm auch vorlegen kann. Er starrt eine Weile auf beide Pässe und verschwindet dann mit ihnen. Kurz danach werde ich an einen anderen Schalter gewunken, wo mir der Senior Officer mitteilt, dass ich eine Bescheinigung meines Arbeitgebers brauche, dass ich nach Indien darf, da beide Visa im gleichen Pass sein müssen oder solch eine Bestätigung erforderlich ist. Aber meine Arbeitgeber wissen schon, was zu tun ist, das machen sie ja ständig für meine Kollegen, die ebenfalls ein Visum wollen. So kann er meinen Antrag nicht bearbeiten, meint er noch und schaut dabei so arrogant und unsympathisch, dass man das Gefühl hat, es macht ihm Spaß, die Leute so herablassend zu behandeln.

 

 

09.04.2012 - Akt 2:

Ich ergattere eines der wenigen am heutigen Bandha fahrenden Taxis und fahre also ans entgegengesetzte Ende Kathmandus nach Satdobato, wo meine Projekt-Vorgesetzten arbeiten. Die wissen auch tatsächlich Bescheid, schlagen jedoch vor, dass ich mein Nepal-Visum einfach in den privaten Reisepass transferieren lasse, da das weniger kompliziert sei. Ist mir recht, dann muss ich nur einen Pass mit mir rumtragen. Ich fülle also den nepalischen Visums-Antrag aus, muss aber selbst nicht zu irgendwelchen Botschaften, sondern den Antrag einfach im Hauptbüro abgeben, meine Kollegen erledigen das dann für mich. Ein Lichtblick immerhin. Doch da diesmal weit und breit kein Taxi zu sehen ist, laufe ich in 45 Minuten nach Sanepa zurück und treffe dort meinen Kollegen, der mir versichert, mein Visum so schnell wie möglich umschreiben zu lassen.

 

10.04.2012 – Akt 3:

Wieder nur ein sehr kurzer Akt, fast nur ein Zwischenspiel, denn am Nachmittag erhalte ich einen Anruf, dass ich meine beiden Pässe abholen kann, da mein Visum bereits in den Reisepass umgeschrieben wurde.

 

11.04.2012 – Akt 4:

Aus Erfahrung lernt man ja bekanntlich und so stehe ich heute bereits um 8.20 Uhr an der indischen Botschaft und bin dennoch nur die 35 mit der Nummer A29. Gegen 11 Uhr stehe ich wieder am Schalter, samt Nepal-Visum im privaten Reisepass. Diesmal wird mein Telex angenommen, das an die meinem Wohnort am nächsten gelegene indische Botschaft nach München geschickt wird. Ich muss noch 300 RS Telex-Gebühr bezahlen und soll mit dem vollständig ausgefüllten Antragsformular am 17.04. wieder erscheinen, da bis dahin die Bestätigung aus Deutschland da ist.

 

17.04.2012 – Akt 5:

Da sein sollte, hätte ich eigentlich den letzten Satz beenden sollen, denn als ich am Dienstag wieder an der Botschaft stehe und brav gewartet habe, bis die Nummer C14 aufgerufen wurde, erfahre ich, dass keine Clearance aus Deutschland erfolgt ist. Woraufhin wir einfach ein weiteres Telex losschicken und ich dann am kommenden Montag wieder vorbeischauen soll. Als ob man wochenlang nichts anderes zu tun hat als den gesamten Vormittag immer auf der Botschaft zu verbringen. Aber ich habe ja noch etwas Zeit und bleibe erstaunlich gelassen.

 

23.04.2012 – Akt 6:

Ich habe die Nummer C4 und hoffe auf einen schnellen Abschluss des Visaverfahrens. Doch als ich um 9.30 Uhr wieder bei dem netten mann am Schalter steht, der mich bereits wieder erkennt, steht im PC immer noch vermerkt, dass keine Rückmeldung aus Deutschland gekommen ist. Ich könne für zwei Wochen einreisen, aber ein 6-Monate-Visum kann er mir so nicht geben. Seltsam. Wenn ich ein gesuchter Terrorist wäre, würden zwei Wochen doch auch ausreichen, um genug schaden im Land anzurichten, was soll dann also diese ganze Telex-Geschichte??? Ich könne aber auch auf den Senior Officer warten, der aber erst gegen 10 Uhr hierher kommt. Also warte ich noch ein wenig länger. Bis 11 Uhr, denn erst da taucht der Senior Officer auf, den ich ja bereits von meinem ersten Besuch kenne. Noch bevor ich auf ihn zugehen kann, stürmen noch gut zehn andere Wartende auf ihn zu. Ich scheine ja nicht die Einzige zu sein, die hier Probleme hat: eine buddhistische Nonne darf nicht wieder nach Indien einreisen, da sie über Land und nicht mit dem Flieger nach Nepal gekommen ist. Ein spanischer Reisender möchte sein 6-Monats-Visum verlängern, da sein Flug erst einige Tage nach dessen Ablauf geht. Eine Amerikanerin indischer Abstammung, die seit Jahren in Indien lebt und englisch unterrichtet, darf nicht wieder ins Land, da ihr letzter Visums-Antrags-Vorgang nirgends aufzufinden ist. Und inmitten dieser verzweifelten Meute bin ich. Als ich endlich dran bin, hält der Senior Officer bereits drei Pässe in Händen und hört überhaupt nur mit einem Ohr zu, während er mit dem anderen telefoniert. Dennoch bedeutet er mir, mein Anliegen zu erklären. Warum ich überhaupt sechs Monate nach Indien will, fragt er mich. Ich will nicht sechs Monate nach Indien, aber ich möchte innerhalb von sechs Monaten zwei Mal nach Indien reisen. Das sei ein blöder Plan, erhalte ich zur Antwort. Und dann geht er plötzlich.

Als er das nächste Mal auftaucht, hake ich noch einmal nach, was ich denn wegen des Visumantrags machen könnte. Da möchte er mein Ticket nach Indien sehen, das ich natürlich nicht mitgebracht habe. Doch auf dem USB-Stick habe ich die eingescannte Version. Nebenan im Copy-Shop lasse ich es ausdrucken, doch als ich zurück zur Botschaft komme, ist der Officer schon wieder verschwunden und taucht auch nicht mehr auf. Doch eine Stunde später kommt ein anderer Senior Officer, dem ich wieder meine Geschichte erkläre. Er verweist mich an den Schalter, and em ich ja bereits zu Beginn war. Der Warteraum ist mittlerweile fast leer, nur die Problemfälle hängen noch rum. Als mich der nette Mann am Schalter lächelnd fragt, was ich denn schon wieder bei ihm will, erkläre ich ihm, dass mich der Senior Officer zu ihm geschickt hat und ich auch mein Einreiseticket ausgedruckt dabei habe. Hmmm, eigentlich braucht er eher das Ausreiseticket. Also noch einmal zum Copy-Shop, das andere Ticket von Delhi nach Yangon auch ausgedruckt und wieder zurück zur Botschaft. Als alte Bekannte lässt mich der Türsteher auch wieder herein, obwohl er sonst alle abweist, die jetzt noch ankommen.

Nach einigen Telefonaten, viel Papier, das unterschrieben und gestempelt wird und weiteren 20 Minuten habe ich meinen Antrag abgegeben. Noch die 3.850 RS Gebühr gezahlt und dann bin ich wieder draußen im Sonnenlicht. Grund zu vorsichtiger Freude.

 

23.04.2012 – Akt 7 und Vorhang:

Es ist der gleiche Tag um 17 Uhr. Ich treffe alle bekannten Gesichter vom Vormittag wieder, denn jetzt können die Visa abgeholt werden. Als der Schalter um 17.30 Uhr aufmacht, stürmen alle auf ihn zu, als ob nur die ersten zehn ihren Pass wieder bekommen. Um 17.45 Uhr habe auch ich meinen Pass wieder. Und in ihm klebt ein Visum für sechs Monate mit zweimaliger Einreise. YIPPIEHHH! Am Sonntag geht mein Flug und ich hab nun noch ein paar Tage in Kathmandu, die ich botschaftsfrei genießen kann.

 

Indien, ich komme!